Beschenkt?

Die Wohnung im Chaos – ich habe nur noch genervte Worte für meinen Mann und es schallt ebenso zurück, das Kleinkind schreit seit drei Stunden, weil alles langweilig ist, die Bauklötze, alle Bücher, der Kletterbogen und jedes Hörspiel schon viel zu oft gehört, Beruhigen und Trösten unmöglich – der Hals kratzt, es ist ja Heuschnupfenzeit, aber wer kann es schon sicher wissen, also wieder ein paar Tage Selbstisolation – wenn bitten wir jetzt für uns einzukaufen?

 


Beschenkt!? – Nein so fühle ich mich nicht. Genervt bin ich. Mein Blick fällt auf das Kreuz im Regal. Wütend und restlos überfordert wende ich mich an meinen Gott: Warum das alles auf einmal? Warum kann sich nicht wenigstens das Kind beruhigen lassen? Warum kann es nicht mal einen Tag harmonisch sein? Warum sorgst du nicht dafür? Warum bleibt alles an mir hängen? Genervt stehe ich auf. Und beim Aufstehen fällt mein Blick in das nächste Regalfach. Ich sehe mein handgemaltes Bild für die Erzählung der Tage der Schöpfung. Tag sechs. Der Tag zu dem es heißt:

 

Gott gab uns das Geschenk der Lebewesen, die auf der Erde gehen können: die Lebewesen die auf zwei Beinen gehen, wie ihr und ich, und die mit mehr Beinen... Er segnete die Menschen und gab ihnen einen Auftrag: bevölkert die Erde und gebt gut Acht auf dieses Geschenk, das ich euch gebe. Bewahrt es gut.

 

Ich sehe das Bild lange an und schließlich muss ich lächeln. Die Erkenntnis reift: ich bin beschenkt – habe einen Mann, der meine genervten Worte erträgt, und ein Kind, dem ich der liebste Mensch bin und das mich nicht teilen möchte mit meinem Schreibtisch. Geschenke, die Gott macht, sind eben auch eine große Aufgabe. Ich darf sie bewahren, das ist mein Auftrag.

 

Ich stehe auf, nehme mein Kind auf den Arm, ich bin jetzt für es da, mit ganzem Herzen – das spürt es und beruhigt sich. Wir gehen zu meinem Mann, die genervten Worte werden durch liebevolle ersetzt. Bald kann ich zurück an den Schreibtisch, das Kind will sich nur daneben stellen und zugucken. Es betrachtet still das Bild, das ich ihm hinlege. Ich nehme die Erzählung zu den Bildern zu Hand und sinne über die Einstiegsfrage nach:

 

„Was ist das großartigste Geschenk, das ich jemals erhalten habe?“

 

und dann spreche ich mit meinem Kind über das was es auf dem Bild sieht und über das was wirklich wichtig für uns ist.

 

Beschenkt!
Wenn Sie Lust haben über die kleinen und große Geschenk ins Gespräch zu kommen, dann herzliche Einladung zum ersten Familiengottesdienst in der Tüte. Sie können ihn am Taufstein in der Johanneskirche mitnehmen.

 

[Text und Bild von Rel.Päd. Hanna Kurz-Schneider]

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Sandy (Mittwoch, 06 Mai 2020 17:20)

    Ich kann die Worte so sehr nachvollziehen. Ich bin auch im homeoffice und habe nebenbei - oder sollte ich sagen, in erster Linie? - meine Kinder im homeschooling.
    Kaum habe ich angefangen etwas zu schreiben oben oder zu telefonieren, kommt ein Rufen aus dem Kinderzimmer: "Mama, ich check das nicht...", okay, wieder aufstehen, hoch gehen, erklären. Irgendwann bin ich genervt. Dann heißt es tief durchatmen... Ich setze dann immer für ein paar Minuten meine Kopfhörer mit meiner Lieblingsmusik auf... Und dann geht es mir besser.
    Hoffen wir alle, dass diese verrückte Zeit bald vorbei ist und es uns trotz aller Schwierigkeiten mehr zusammenschweißt und die genervten Worte wieder mehr und mehr zu liebevollen Worten werden.

  • #2

    Sandy (Mittwoch, 06 Mai 2020 17:22)

    Der Familiengottesdienst in der Tüte war übrigens eine echt schöne Idee. Danke dafür.

  • #3

    Susanne Freund (Mittwoch, 06 Mai 2020 18:52)

    Auch wenn meine Kinder schon erwachsen sind, kann ich das alles gut nachvollziehen und verstehen!

    Und das ist denke ich, auch ganz normal, wenn man zwischendurch zeigt, dass man nicht immer stark ist, sondern auch mal die Nerven blank liegen.
    Wichtig ist doch, dass spätestens am Abend, wenn alle im Bett liegen, liebevolle Worte in den Schlaf begleiten