Der Tag nach der Kreuzigung Jesu

Wo werden sie gewesen sein, die beiden Marias, an diesem ersten Tag nach Jesu Tod?

 

Gestern waren sie dabei. Sie haben Jesu Sterben gesehen, mit ausgehalten, auch wenn es kaum auszuhalten war. Sie waren dabei, als der starre, kalte Körper Jesu vom Kreuz genommen wurde, als er eingewickelt wurde in die Leintücher. Sie waren dabei, als er in das dunkle Felsengrab getragen wurde und der schwere Stein davor gerollt wurde. Aus und vorbei.

 

Ob sie in dieser Nacht überhaupt geschlafen haben? Oder sind sie wie betäubt in einen tiefen Schlaf gefallen, der das Aufwachen nur umso schlimmer gemacht hat?

 

Nach den langen Nachtstunden ist die Sonne wieder aufgegangen, aber die beiden Marias werden dafür keinen Blick haben.

 

Zu tief ist die Trauer, zu schmerzlich der Verlust. Ob sie weinen können oder sind sie viel zu erstarrt? Vielleicht sitzen sie wie betäubt beieinander, unfähig, einander zu trösten, aber genauso unfähig, es alleine zu ertragen. Vielleicht versuchen sie, sich irgendwie an ihrem kleinen Alltag festzuhalten - Feuer schüren, Getreide mahlen, Fladenbrot backen. Vielleicht versinken sie in ihren Tränen. Ich weiß es nicht. Aber ich will die Trauer der beiden Marias mit aushalten. Ich will heute nicht schnell wieder zum Sonnenlicht gehen. Ich bleibe bei den beiden Marias und trage ihren Schmerz wenigstens ein bisschen mit - und halte so meine Sehnsucht wach nach dem Ostermorgen!

 

Und dann mache ich mich wie die beiden Marias auf - auf zum Osterlicht!

 

[von Pfrin. Susanne Wittmann-Schlechtweg]

[Bild von K. Mitch Hodge | Unsplash]

 

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Susanne Freund (Samstag, 11 April 2020 17:08)

    Ich sehe sie vor mir - die beiden Frauen.
    Ich sehe ihre Gesichter - Angst, Wut, Entsetzen, Trauer, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Mutlosigkeit, Hoffnungslosigkeit - sie klammern sich aneinander, geben einander Halt, spüren die Wärme der anderen, suchen Trost in den Augen der anderen Frau, suchen eine Antwort auf die Frage: wie soll ich s nun weitergehen. Können Sie schon einen kleinen Schimmer Hoffnung?

  • #2

    Susanne Freund (Samstag, 11 April 2020 18:10)

    ... spüren?